Von Karl Pritz und Robert Zangerl:

Unser Bezirk, einer der schönsten und interessantesten unseres Landes.

Auszug aus dem Buch "Unser Neunkirchner Heimatbuch" (erschienen im Jahr 1949)

Unser Bezirk zeigt mit seinen wunderbaren Bergen — darunter den zwei höchsten von Niederösterreich — und den ausgedehnten Laubwäldern, mit seinen zum Teil dicht besiedelten Tälern, in die von stolzer Höhe alte Ritterschlösser schauen, Landschaftsbilder von berückender Schönheit. Die vielen Höhen gestatten prachtvolle Tiefblicke und manchem Panoramen vergisst der Wanderer nie mehr in seinem Leben. Wie majestätisch erhebt ich doch der Schneeberg aus dem Talkessel von Puchberg!

Viele Tausend lockt diese Pracht des Gebirges herbei. Sonntag für Sonntag eilen sie in die Gebiete des Semmerings, der hohen Wand, auf die Höhen von Rax und Schneeberg, die beiden Hausberge der Wiener. Sommerüber in einzig schönen Wanderungen und beim Schisport im Winter finden sie Ablenkung und Entspannung von schwerer Arbeitsfron. Besonders schön gelegene Orte entwickeln sich zu Luftkurorten, weltberühmt ist unser Semmering. In diesen durch gesegnete Lage ausgezeichneten Orten sucht und findet der Großstädter Ruhe und Erholung. In zwei über die Landesgrenzen hinaus bekannten Lungenheilstädten (Grimmenstein und Strengberg) haben schwerkranke Menschen in wenigen Monaten ihre Gesundheit wiedergefunden.

Dem Fremdenverkehr dienen vor allem drei normalspurige Gebirgsbahnen: Semmering-, Wechsel- und Schneebergbahn; dann eine schmalspurige elektrische Bahn, eine Zahnrad- und eine Drahtseilbahn. Semmering- und Wechselbahn gehören zu den schönsten Gebirgsbahnen des Kontinents. Ihr Bau und die verständnisvoll harmonisch der Landschaft angepasste Linienführung zeit neben anderem den großen Kunstsinn des Österreichers.

Die Schneebergbahn, von Willendorf als Bergbahn geführt, bringt uns bis Puchberg zur Zahnradbahn. Sie klettert an den Hängen des "Hengst" 1300 m über die Talstation und enthüllt Tiefblicke einziger Art. Die schmalspurige, elektrisch betriebene Bahn bringt den Touristen durch das liebliche Gebiet von Payerbach und Reichenau zur Talstation der Drahtseilbahn, die ihn in kaum 10 Minuten 100 m hoch auf das Raxplateau hebt. Man spürt die gewaltige Veränderung des Luftdruckes am oft unangenehmen Knacken im Ohr.

Die Fahrt enlang begleitet uns der kunstvolle Stollenbau der Wiener Hochquellenwasserleitung, aus dem Höllental kommend. Im Wasserschloss Kaiserbrunn entspringt die Hauptquelle. Darüber erzählt die Überlieferung: "Im Jahre 1732 kam der Kaiser Karl VI. in die Wildnis des Höllentals, um dort zu jagen. Er verfolgte ein Wild und verirrte sich im dichten Urwald der Talschluchten. Am Südhange des Schneeberges entdeckte der erschöpfte Kaiser eine herrliche Quelle, deren Kristallwasser ihn erfrischte. Als auch sein Leibarzt, der eine Kostprobe entnahm, sie für das beste Wasser im Umkreise Wiens erklärte, beschloss Kaiser Karl, sich täglich dieses Wasser nach Wien in die Hofburg bringen zu lassen. In diesem Jahre wurde ein Weg von Hirschwang zur Quelle angelegt, um das Wasser täglich auf Saumrossen nach Wien in die Hofburg zu bringen. Seit jener Zeit heißt die Quelle "Kaiserbrunnen." Die Stadt Wien ließ in den Jahren 1866 bis 1875 die Hochquellenwasserleitung, um das köstliche Wasser zu bekommen. Die Leitungsstollen führen entlang der Scharza bis Neunkirchen und dann am Fuße der Berge (Thermenlinie) nach Wien. Einige wenige Gemeinden des Bezirkes,  z. B. Neunkirchen, sind angeschlossen. Im allgemeinen aber trinken die Wiener das Wasser, das der Himmel über den steilen Hängen des Höllentales herabregnen lässt. Um es ganz rein und gesund zu erhalten, hat die Stadt Wien die großen Einzugsgebiete der Quellen aufgekauft und sie damit wohl der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen, aber ein herrliches Naturschutzgebiet geschaffen. Am 24. Oktober 1873 floss zum ersten mal unser Schneebergwasser aus Wiener Hausanschlüssen. Es hatte bis dorthin 90 km lange mächtige Stollengänge durchwandert. Am Rosenhügel ergießt es sich in einen gewaltigen unterirdischen Wasserspeicher (Reservoir). Wenn man mit der Südbahn nach Wien fährt und sieht den breiten grünen Lehmbuckel majestätisch dem Häusermeer der großen Stadt vorgelagert, dann glaubt man es kaum, dass unser Wasser bis dorthin 276 m gefallen ist. Täglich fließen durchschnittlich 160 000 m3 nach Wien. Schätze einmal, wie viele m3 deine Klasse hat und vergleiche dann, damit du eine Vorstellung von der staunenswerten Tagesleistung unserer Quellen bekommst!

Schon in uralter Zeit blühte in unserem Bezirk der Bergbau. Eisen, Kupfer, Kohle, Magnesit, Graphit, Weißerde, Gips wurden und werden abgebaut. Derzeit ist der Abbau kleinerer Vorkommen als unrentabel aufgelassen.

Einen ganz hervorragenden Rang im Erwerbswesen nimmt jedoch die Industrie ein. Die Schrauben- und Schmiedewarenfabrik Brevillier-Urban in Neunkirchen, das Edelstahlwerk in Ternitz und die Gummiwerke Semperit in Wimpassing beschäftigen derzeit über 7000 Personen. Weiter reiht sich bis Hirschwang ein Fabriksort an den anderen, voran Holzschleifereien ganz großer Art. Auch im Pittental, dann in Trattenbach, Schottwien, Breitenau und Puchberg gibt es, freilich in weitaus geringeren Maße, industrielle Tätigkeit. Holzsägen und Holzbearbeitungsmaschinen laufen an allen Wassern und Wässerchen des Bezirkes.