Einleitung:

Die Naturwissenschaften bestimmen in hohem Grad das Denken des Menschen und seine Einstellung zur Natur. Die Anwendung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in der Technik greift tief in sein gesamtes Leben ein. Mit der Untersuchung der Strukturen und Bewegungen in der unbelebten Natur sowie der Kräfte und Wechselwirkungen, die diese Bewegungen hervorrufen, hat die Physik an dieser Entwicklung einen bedeutenden Anteil. Sie wird auch bei der Lösung zukünftiger technischer Probleme einen entscheidenden Beitrag leisten müssen. Dem Physikunterricht kommt deshalb die Aufgabe zu, Interesse und Freude an naturwissenschaftlichen Fragestellungen bei den Lernenden zu wecken, sie zu einer begrifflichen Durchdringung physikalischer Gesetze anzuleiten und die Voraussetzungen zu deren Anwendung sowie zum Erfassen übergreifender Zusammenhänge zu schaffen. Das vermittelte naturwissenschaftliche Denken soll den Lernenden den Weg zu einer positiven Grundeinstellung gegenüber Naturwissenschaft und Technik eröffnen und sie aufgrund physikalischen Wissens dazu befähigen, Möglichkeiten und Gefahren des technischen Fortschritts zu erkennen und Fehlentwicklungen verantwortungsbewusst entgegenzuwirken.

Im Physikunterricht spielt das Experiment eine zentrale Rolle, nicht nur zur Demonstration oder als Lehrerversuch, sondern ganz besonders als verantwortungsbewusstes, denkendes Handeln der Heranwachsenden. Durchführung, Beobachtung, Beschreibung und Auswertung von Experimenten verlangen von den Lernenden Bereitschaft zu sachlicher und exakter Arbeit, auch in Arbeitsgruppen, handwerkliches Geschick und die Fähigkeit zu analytischem Denken. Die Lernenden werden mit der Anwendung fachspezifischer Arbeitsmethoden und dem angemessenen Gebrauch der Fachsprache vertraut; darüber hinaus fördern die Beschreibung von Beobachtungen und das Formulieren von Ergebnissen die sprachliche Ausdrucksfähigkeit.

In der Mittelstufe widmet sich der Physikunterricht vorwiegend der phänomenologischen Beschreibung von Naturvorgängen. Behutsam wird aus dieser qualitativen Betrachtung an einigen wenigen Naturerscheinungen eine quantitativ mathematische und begrifflich einfache Beschreibung bis hin zur Modellbildung entwickelt. Folgende Gebiete der klassischen Physik werden behandelt: Mechanik, Wärmelehre, Strahlenoptik, Elektrizitätslehre und Magnetismus. Es werden aber auch neuere Bereiche wie Grundlagen der Halbleiterphysik und der Regelungstechnik, Kernphysik und Energietechnik angesprochen. Von den Lernenden selbst durchgeführte Versuche sind ein wesentlicher Bestandteil des Lernens. Besonderer Wert wird darauf gelegt, den Lernenden die Bedeutung physikalischer Erkenntnisse für die Entwicklung der Technik aufzuzeigen und ihnen zu helfen, ihre Umwelt und die Natur bewusst zu erleben.

Der Physikunterricht der Oberstufe greift die Inhalte der Mittelstufe wieder auf, vertieft sie und führt sie weiter. Er ist wesentlich geprägt durch die formale, quantitative Beschreibung der Naturgesetze und das Arbeiten und Denken in Modellen. Als weitere Themen kommen Atom- und Kernphysik, Theorie der Wärme, spezielle Relativitätstheorie, Astronomie und eine Einführung in die Anwendung des Computers hinzu.

Der Grundkurs soll den Lernenden einen Überblick verschaffen über die spezifischen Methoden, wie in der Physik Erkenntnisse gewonnen werden, und über grundlegende Naturerscheinungen, die in einer stark technisch geprägten Gesellschaft von Bedeutung sind. Einblicke in die Zusammenhänge zwischen Experiment und Theorie geben Anlass, über die Möglichkeiten und Grenzen naturwissenschaftlichen Arbeitens nachzudenken.

Im Leistungskurs sollen die Lernenden darüber hinaus in propädeutischer Form die Arbeitsweise der physikalischen Forschung kennenlernen und nachvollziehen. Dabei werden Aspekte der theoretischen Physik ebenso berücksichtigt wie Verfahren der Experimentalphysik und die technische Realisierung der gewonnenen Erkenntnisse. Ein Eingehen auf neuere Forschungen und Entwicklungen wie die Elementarteilchenphysik oder die Festkörperphysik ist möglich und kann den Lernenden einen Einblick in die große Breite physikalischen Arbeitens geben.

Der Physik- und der Mathematikunterricht arbeiten eng zusammen, wobei die Mathematik als Teil der Strukturwissenschaften, in der Physik die Rolle einer unentbehrlichen Hilfswissenschaft übernimmt; umgekehrt werden zentrale mathematische Begriffe aus physikalischen Erfahrungen entwickelt. Zusammen mit Biologie und Chemie trägt Physik wesentlich dazu bei, Grundlagen für ein besseres Verständnis von Natur und Umwelt zu vermitteln und Aufgeschlossenheit und Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der Belange des Umweltschutzes und der besonderen Stellung des Menschen in der Natur zu entwickeln.

Die Physik hat ihren Ursprung in der Antike, wo sie sich aus philosophischen Fragestellungen nach dem Sein der Dinge entwickelte. Aus der Beobachtung von Naturerscheinungen und deren Deutung führte der Weg zu einer immer gezielteren Fragestellung und deren Beantwortung durch das Experiment. Wenn auch Erkenntnisse physikalischer Forschung heute in erster Linie ihre Auswirkungen in der Technik haben, so ist doch gerade bei den bedeutendsten Physikern des 20. Jahrhunderts die Nähe zur Philosophie deutlich spürbar. Die Beschäftigung mit ihrem Lebenswerk führt zur Diskussion ethisch-moralischer Fragestellungen vor einem geschichtlichen, wissenschaftlichen und politischen Hintergrund. Auch in geistesgeschichtlicher Hinsicht hat die Physik bedeutende Beiträge geleistet. Stellvertretend für viele andere sei die Entwicklung der Vorstellungen von der Welt vom geozentrischen Weltbild über das heliozentrische Weltbild bis zum Weltbild der modernen Astrophysik genannt.

Der Physikunterricht soll den Lernenden durch die Auseinandersetzung mit derartigen Fragen deutlich machen, dass Physik nicht nur Voraussetzungen für technische Anwendungen liefert, sondern einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtverständnis unserer Welt leistet.